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Jubiläum für Lehrveranstaltung „Soziale Kompetenz“

Seit 15 Jahren absolvieren Studierende der Medizinischen Universität Wien im Haus der Barmherzigkeit ein Pflichtpraktikum, bei dem sie den einfühlsamen Umgang mit chronisch kranken Menschen trainieren.

Mit Semesterende schließen rund 760 Studierende des ersten Studienjahres zum 15. Mal die Pflicht-Lehrveranstaltung "Soziale Kompetenz" an der MedUni Wien ab. Ziel dieser Lehrveranstaltung ist es, die angehenden Ärzt*innen frühzeitig für einen einfühlsamen Umgang mit Patient*innen zu sensibilisieren. „Die Lehrveranstaltung „Soziale Kompetenz“ hat sich als unverzichtbarer Bestandteil der medizinischen Ausbildung fest etabliert. Unsere Studierenden werden so bereits ab dem ersten Semester an ihre Rolle herangeführt, in der sie zum einen Teil eines Teams um die Patient*innen herum sind, und zum anderen die soziale Interaktion ein zentrales Element darstellt“, unterstreicht die Vizerektorin für Lehre, Anita Rieder.

Das Haus der Barmherzigkeit als Lehrkrankenhaus unterstützt die Studierenden dabei, erste Erfahrungen im direkten Kontakt mit Menschen mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen zu sammeln. Die Studierenden entwickeln dabei ein besseres Verständnis für die Bedeutung sozialer Kompetenz im medizinischen und pflegerischen Umfeld und können zukünftigen Patient*innen eine empathische und professionelle Betreuung anbieten. „Aus unserer Erfahrung in der Langzeitpflege wissen wir, dass der emphatische Umgang mit unseren Bewohner*innen einen wesentlichen Einfluss auf deren Gesundheit und Lebensqualität hat. Deshalb begrüßen wir es, dass soziale Kompetenzen in der Ausbildung der angehenden Mediziner*innen einen so hohen Stellenwert einnehmen“, so Christoph Gisinger, Institutsdirektor des Haus der Barmherzigkeit.

Jubiläum der Lehrveranstaltung - Gruppenfoto mit MedUni Vizerektorin Anita Rieder, HB Institutsdirektor Christoph Gisinger, Studierenden und Bewohnerin.

Soziale Kompetenz trainieren

Doch was ist soziale Kompetenz und wie kann sie trainiert werden? Im Curriculum „Soziale Kompetenz“ steht der Kontakt zu den Bewohner*innen im Vordergrund. Ziel der Lehrveranstaltung ist es, dass die Studierenden ein besseres Verständnis für die Bedeutung sozialer Kompetenz im medizinischen und pflegerischen Umfeld gewinnen und damit zukünftigen Patient*innen eine empathische und professionelle Betreuung anbieten können.

Durch eine gezielte Praktikumsvorbereitung anhand von Fallbeispielen und Instant-Aging-Tools entwickeln die Studierenden bereits vor dem ersten Kontakt mit pflegebedürftigen Menschen ein besseres Verständnis für die Bedürfnisse von Menschen mit Einschränkungen und Behinderungen. Nach diesen Einführungs- und Kleingruppenseminaren absolvieren die Studierenden ein Praktikum, das als Herzstück des Curriculums gilt. Hier üben sie den Aufbau einer Vertrauensbeziehung mit Patient*innen, verbale und nonverbale Kommunikationskompetenzen sowie die Begleitung von chronisch kranken und pflegebedürftigen Menschen. Dabei übernehmen die Studierenden keine pflegerischen oder medizinischen Tätigkeiten, sondern in erster Linie Tätigkeiten im gleichen Rahmen wie bei Besuchsdiensten. Abschließend tauschen sich die Studierenden in einem Tutorium über das Erlebte aus.

Statistik "Curriculum in Zahlen": 15 Jahre, 40 Stationen, 90 Betreuer*innen, 11.000 Studierende, 100.000 Praktikumsstunden.

Professionelle Begleitung in einem realen Umfeld

Bei allen Fragen steht den Studierenden das interdisziplinäre Team des Haus der Barmherzigkeit unterstützend zur Seite, das wie im Fall von Ulrike Tarnawski langjährige Erfahrung mitbringt. Seit Beginn der Lehrveranstaltung „Soziale Kompetenz“ vor 15 Jahren begleitet die Stationsleiterin die Studierenden während ihres Praktikums im HB Pflegekrankenhaus Seeböckgasse. Um ausreichend Zeit für den direkten Kontakt mit den Bewohner*innen zu haben, kommen die Studierenden maximal zu dritt über fünf Wochen wöchentlich auf ihre Station. „Die Studierenden lernen bei uns, mit Situationen umzugehen, die sie vielleicht noch nie in ihrem Leben erlebt haben, mit Menschen, denen sie bisher vielleicht noch nie begegnet sind, mit Menschen, die anders reagieren, als sie es erwartet haben“, sagt Tarnawski. Das Besondere an dem Praktikum sei, so die Praktikumsbetreuerin, dass die Studierenden die Möglichkeit hätten, Erfahrungen in einem realen Umfeld zu sammeln. „Vieles, was sie hier erleben, ist schön und berührend, aber manches kann auf den ersten Blick auch irritierend wirken. Ich versuche, die Studierenden dabei zu begleiten, diese Erfahrungen zu machen“, berichtet Tarnawski.

Auch die Stationsleiterin Sladjana Romic sorgt von Beginn an als Betreuerin für einen reibungslosen Ablauf des Praktikums. Bei der Begleitung der Studierenden auf ihrer Station legt sie großen Wert auf die gemeinsame Reflexion. „Damit die Studierenden alle Eindrücke, die sie im Praktikum sammeln, auch verarbeiten können, sprechen wir am Ende jeder Praktikumseinheit über das Erlebte“, so Romic. Durch die bewusste Auseinandersetzung und den Austausch mit den Expert*innen aus der Pflege können die Studierenden am meisten aus ihren Erfahrungen mitnehmen, ist sie überzeugt. Und auch Tarnawski weiß: „Die Studierenden sammeln viele neue Eindrücke und Erfahrungen und ich glaube, sie lernen sich dabei auch selbst besser kennen“.

Insgesamt werden die Studierenden während der Absolvierung der Lehrveranstaltung von rund 30 Lehrenden und 60 Betreuer*innen des Haus der Barmherzigkeit auf Stationen der Pflegekrankenhäuser Seeböckgasse und Tokiostraße, in Wohnbereichen des Pflegeheims Am Maurer Berg und in Wohngemeinschaften von HABIT begleitet.

Studierende absolvieren das Praktikums. Sie sitzen gemeinsam mit Bewohner*innen um einen Tisch und führen Gespräche beim Basteln.
Studierende absolvieren das Praktikums. Sie sitzen gemeinsam mit Bewohner*innen um einen Tisch und führen Gespräche beim Basteln.
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Wertvolle Erfahrungen für angehende Ärzt*innen

Die praktischen Erfahrungen im sozialen Setting ergänzen das fachliche Wissen, das die Studierenden im Medizinstudium erwerben. Eine kurze Umfrage unter einigen Absolvent*innen des aktuellen Semesters zeigt, dass die Erfahrungen als sehr wichtig für das spätere Berufsleben eingeschätzt werden. „Ich habe zuvor noch nie so eng mit chronisch kranken Menschen gearbeitet. Man verliert auf jeden Fall die Berührungsängste und man lernt dabei, besser auf Menschen zuzugehen“, beschreibt die Studentin Katharina Schifferl ihre Erfahrungen. Ihre Kommilitonin Helena Hesselbach, mit der sie das Praktikum gemeinsam absolviert, ergänzt: „Ich finde es ist für beide Seiten eine sehr positive Erfahrung. Einerseits merkt man, wie glücklich es die Bewohner*innen macht, wenn sie jemanden zum Reden haben. Und für einen selbst ist es ebenso total schön und spannend, diese Erfahrung zu machen.“

Doch was haben die Studierenden konkret aus ihrem Praktikum mitgenommen? „Man lernt, wie schwierig es sein kann, mit Menschen ins Gespräch zu kommen, die vielleicht traurig oder schwerhörig sind. Wichtig ist, dass man sich trotzdem auf sie einlässt und versucht, eine Verbindung herzustellen. Solche Situationen waren für mich sehr lehrreich“, betont Medizinstudent Jonas Dunzinger. Auch für seine Kollegin Khushi Singh war das Praktikum besonders lehrreich: „Ich habe erlebt, wie wichtig es ist, gute Gespräche mit Menschen mit Demenz zu führen. Ich habe aber nicht nur neue kommunikative Fähigkeiten erlernt, sondern die Bewohner*innen haben mir auch gezeigt, wie wichtig es ist, empathisch und geduldig zu sein“. Vor allem die Empathie wird von vielen Studierenden als Schlüsselkompetenz beschrieben, so auch von Anna Gstrein: „Ich finde es schön zu sehen, dass man vielen Menschen allein durch Zuhören helfen kann. Und, dass man mit Empathie schon viel verändern kann.“ Katharina Schifferl ergänzt: „Man lernt sich besser in die Menschen hineinzuversetzen und merkt, dass den Bewohner*innen hier ganz andere Dinge wichtig sind als zum Beispiel den Menschen in meinem Umfeld.“

Ein Student spielt Domino mit einer Bewohnerin.
Eine Studentin bastelt Marzipanfiguren gemeinsam mit einer Bewohnerin.
Eine Studentin spielt Memory mit einer Bewohnerin.
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Dass soziale Kompetenzen für ihren zukünftigen Beruf wichtig sein werden, darüber sind sich die Student*innen einig: „Ich bin der Meinung, dass die Patient*innen mehr gehört werden sollten und dass soziale Kompetenzen nicht nur das Vertrauen stärken können, sondern auch die medizinische Versorgung verbessern, weil man besser auf die Menschen eingehen kann. Empathie und ein respektvoller Umgang sind in der Medizin sehr wichtig“, betont die angehende Ärztin Khushi Singh. „Ich glaube, dass es auch im späteren Berufsleben sehr wichtig ist, dass man als Arzt oder Ärztin nicht nur die Krankheit sieht, sondern den ganzen Menschen, seine oder ihre Geschichte kennt und sich gut in die Patient*innen einfühlen kann“, unterstreicht ihre zukünftige Kollegin Helena Hesselbach. Und Anna Gstrein bringt es abschließend auf den Punkt: „Ich denke, dass Empathie eine der wichtigsten Fähigkeiten ist, die man als Arzt oder Ärztin überhaupt haben kann.“

Das Haus der Barmherzigkeit gratuliert allen Absolvent*innen des 15. Jahrgangs der Lehrveranstaltung „Soziale Kompetenz“ zu ihrem Erfolg und wünscht weiterhin gutes Gelingen im Medizinstudium!

Über das Curriculum "Soziale Kompetenz"

Die Lehrveranstaltung „Soziale Kompetenz“ zählt im ersten Semester zu den Pflichtveranstaltungen für Medizinstudierende der MedUni Wien. Seit 2009 findet sie einmal jährlich im Wintersemester an Standorten des Haus der Barmherzigkeit statt. Ziel ist es, Studierende für eine adäquate Kommunikation, Empathie und Wertschätzung im Umgang mit pflegebedürftigen Menschen sowie für professionelles Verhalten im interdisziplinären Team zu sensibilisieren. Insgesamt haben bereits 11.000 Studierende das Curriculum absolviert.

hdb

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