Rosi und die Schafe
Roswitha Leitgeb kümmert sich mit großer Hingabe um alle vierbeinigen Bewohner im Stephansheim, zu denen seit letztem Jahr auch drei Schafe zählen.
Wenn Roswitha Leitgeb frühmorgens ihren Arbeitstag im Stephansheim beginnt, greift sie zuerst zu ihrem Gartenequipment. Das braucht sie, um das Unkraut zu jäten, Pflanzen und Sträucher zu setzen und die Hochbeete zu betreuen. Neben Schere, Spaten und Rechen lässt sie in ihrem Schubkarren aber auch immer etwas Platz für Heu und Trockenfutter. Rosi, wie sie gerne genannt wird, ist nämlich eine Gartenhelferin in tierischer Mission.
Neben Hauskater Stephan, dem Hasengespann Stupsi und Flecki sowie acht bunten Wellensittichen macht Rosi auf ihrer Tour durch den Garten auch regelmäßig Halt bei den Brüdern Ludwig, Burli und Toni. Die drei Zwergschafe bewohnen im Garten den großen Hügel und verrichten dort als lebende Rasenmäher ihre Dienste. Rosis Herz schlug schon immer für Tiere. Als Nebenerwerbslandwirtin hält sie auf ihrem Bauernhof Rinder, Schweine, Puten und Gänse. Mit der Pflege von Schafen betrat sie im Vorjahr zwar Neuland, geht mittlerweile in ihrer Rolle als Hirtin des HB aber richtig auf.
Tiere zum Verlieben
Und auch für die Bewohner*innen stellt das Schaf- Trio eine willkommene Abwechslung dar, erzählt die Gartenhelferin: „Schon in der Früh werfen sie einen aufgeregten Blick aus dem Fenster, um sich zu vergewissern, dass die Schafe noch da sind.“ Tagsüber halten die Damen und Herren gerne am Zaun, um die Schafe zu beobachten, und auch die Mitarbeiter*innen und Angehörigen sind von den Vierbeinern begeistert. „Der Schafshügel ist mittlerweile ein beliebter Treffpunkt geworden“, ergänzt die Landwirtin.
Pflegedienstleiterin Marion Wirth weiß, dass der Umgang mit Tieren auch aus therapeutischer Sicht für ältere Menschen sehr wertvoll ist. Neben einer ordentlichen Portion Liebe bieten sie immer auch reichlich Gesprächsstoff. „Die Geschichten, die vor dem Hasenstall oder am Zaun vor den Schafen erzählt werden, wecken Erinnerungen an früher. Viele Bewohnerinnen und Bewohner hatten einmal selbst Haustiere oder eine Landwirtschaft zu Hause. Das Beobachten und Streicheln kann speziell demenzkranken Personen wichtige Impulse liefern.“
Ein weiterer Vorteil: Die Bewohner*innen fühlen sich gebraucht. Liebend gerne helfen sie beim Füttern der Hasen, Wellensittiche und Schafe. Bewohnerin Maria kümmert sich bereits seit Jahren um den roten Kater Stephan, der als Findelkind im Stephansheim aufgenommen wurde. Seit die Schafe eingezogen sind, ist auch ein Besuch bei Ludwig, Burli und Toni zu ihrem täglichen Fixtermin geworden. Kater Stephan ist dabei immer mit im Gespann und beobachtet das tierische Geschehen vom Zaun aus. „Wenn die Schafe hüpfend in meine Richtung laufen, bin ich ganz überwältigt. Ich verwöhne sie mit vielen Streicheleinheiten und Naturmüsli“, strahlt Maria über das ganze Gesicht.
Schafgeschichten
Umso größer war Marias Freude über die zwei männlichen Hausschafe, die heuer zur Sommerfrische gekommen sind, weil ein benachbarter Bauer und Schafkäseproduzent einen Fressplatz für sie suchte. „Plötzlich standen zwei niedliche weiße Lämmchen unter den Schafsbrüdern“, erinnert sich Maria. „Die fünf Männer mussten sich allerdings erst zusammenraufen, bis sie zu Spielgefährten wurden.“
Ab November heißt es für die Schafsbrüder ab ins Winterquartier, den Rosi auf ihrem Bauernhof eingerichtet hat. Sobald der erste Schnee gefallen ist, wird der Schafshügel im Stephansheim zum Rodelberg erklärt und die Gartentür für die benachbarten Kinder geöffnet. „Das Treiben im winterlichen Garten ergibt immer ein idyllisches Bild“, so Rosi. „Im Schnee zeichnen sich rund um den Hasenkäfig kleine Fußspuren ab, und überall verteilt stehen von den Kindern erbaute Schneemänner“, erzählt die Landwirtin. Auch in der kalten Jahreszeit können die Bewohner*innen also viel im Garten entdecken, und Rosi bleibt damit ein bisschen mehr Zeit für die Schafe. „Wenn ich ehrlich bin, freue ich mich sehr darauf, dass ich die flauschigen Freunde ein bisschen mehr für mich habe“, sagt sie. „Aber bitte verraten Sie das nicht den Bewohnerinnen und Bewohnern.“