Schritt für Schritt zurück ins Leben
Die Geschichte von Dragisa Radojkovic zeigt, wie viel mit Willenskraft, Therapie und einem unterstützenden Umfeld möglich ist. Was aussichtslos schien, wurde im Haus der Barmherzigkeit zu einer Erfolgsgeschichte voller Hoffnung, Stärke und Lebensfreude.
Stolz führt Dragisa Radojkovic durch den großzügigen Garten des Pflegekrankenhauses Tokiostraße. Er zeigt die Blumenbeete, die auch dank seiner tatkräftigen Mithilfe in der Gartengruppe üppig blühen, bleibt schließlich vor einem Fitnessgerät stehen, nimmt Platz und lässt seine Muskulatur arbeiten. „Vor drei Jahren, als Dragisa zu uns kam, war daran nicht zu denken“, erzählt Stationsleiterin Jovanka Schmidt. Der gebürtige Serbe, der seit elf Jahren in Österreich lebt, hatte zu diesem Zeitpunkt gesundheitlich bereits eine Odyssee hinter sich: Mit Verdacht auf Gehirntumor kam er ins AKH Wien. Schließlich stellte sich heraus, dass er an einer autoimmunen Gehirnhautentzündung litt. Nach einer Operation und einer langen Zeit im Krankenhaus zog Dragisa 2022 ins HB Tokiostraße ein. „Unser Bewohner war bettlägerig, konnte sich nicht bewegen, nicht selbstständig essen und trinken“, erinnert sich die Stationsleiterin. Ein selbstbestimmtes Leben schien in weiter Ferne.
Mit Unterstützung eines engagierten interdisziplinären Teams begann eine außergewöhnliche Erfolgsgeschichte. Zunächst lag der Fokus der Pflege auf der Mobilisierung, die schon bald eine selbstständige Nahrungsaufnahme ermöglichte. „Anfangs gab es auch Kommunikationsprobleme, da Dragisa aufgrund seiner Erkrankung Erinnerungslücken hatte und seine Deutschkenntnisse vergaß“, erzählt Pflegerin Ana Heindl. „Aber zum Glück gibt es viele Kolleg*innen, die seine Muttersprache sprechen. Alle haben mitgeholfen – von der Reinigung über die Pflege bis zur Hauswirtschaft“, sagt sie lächelnd. Schritt für Schritt kämpfte sich Dragisa zurück ins Leben – und das im wahrsten Sinne.

Gemeinsamer Erfolg
„Wir haben von Anfang an gemerkt, dass er einen unbändigen Willen hat“, blickt Physiotherapeutin Sonja Derp zurück. Zwei- bis dreimal pro Woche arbeitete sie mit ihren Kolleg*innen an seiner Beweglichkeit – mit großem Erfolg: „Zunächst im Rollstuhl unterwegs, folgten schon bald Steh- und Gehübungen mit Krücken.“ Heute spielt Dragisa sogar Basketball und würde am liebsten das Training anderer Therapiegruppen übernehmen. „Seine Motivation ist beispiellos“, so Sonja Derp. Auch für den Heilungsprozess selbst ist diese Motivation entscheidend, betont Michael Feurstein, Stationsarzt und stellvertretender Ärztlicher Direktor im HB Tokiostraße: „Medikamente unterstützen selbstverständlich, aber letztlich erfolgt Heilung von innen heraus – da ist der Wille des Bewohners ausschlaggebend.“ Besonders in Erinnerung bleibt ihm eine Episode: „Dragisa hat mir geholfen, einen wirklich schweren Bürostuhl ins Auto zu heben. Unglaublich, welche Kraft er wiedergewonnen hat!“
Und Dragisa selbst? „Mir geht es sehr gut“, sagt er mit einem Lächeln. So gut, dass er bereits zwei Wochen bei seiner Familie in Serbien verbringen konnte – beim Fischen und mit seinen vier Enkelkindern, die für ihn die größte Motivation sind. Schon bald will Dragisa wieder selbstständig leben. „Er ist bei jeder Veranstaltung dabei, unterstützt unser Team, macht Späße und findet immer einen Weg zur Verständigung“, beschreibt Jovanka Schmidt den Bewohner. Sein Humor, seine Energie und seine Ausdauer haben das Haus bereichert – und werden, wenn er auszieht. Für die Stationsleiterin steht fest: „So einen Erfolg habe ich in meinen 16 Jahren im Haus noch nicht erlebt. Dragisa zeigt uns allen, dass man niemals aufgeben darf. Er ist der lebende Beweis dafür, dass selbst der kleinste Schritt ein neuer Anfang sein kann.“


