Mit Teamgeist die Krise bewältigen.
Die Pflegedirektorin der HB Tokiostraße und die Pflegedienstleiterin HB Am Maurer Berg-St. Josef im Interview.
Covid-19 hält die Welt und auch das HB in Atem und hat die gewohnten Abläufe im Pflegebereich grundlegend verändert. Vor allem in den Wiener Pflegeeinrichtungen, in denen 685 Menschen medizinisch und pflegerisch rundum versorgt werden, musste in einer regelrechten „Mammut-Aktion“ der Berufsalltag neu organisiert werden. Bei dieser Umwälzung liefen viele Fäden in den Pflegedirektionen und -leitungen zusammen. Auch wenn das Haus der Barmherzigkeit seit wenigen Wochen nicht mehr den Krisenmodus fährt, sind viele Einschränkungen geblieben. Die Pflegedirektorin der Tokiostraße Friederike Skopek-Johnson und die Pflegedienstleiterin vom Am Maurer Berg St Josef Renate Schwarz sprechen in diesem Interview über die Herausforderungen und Bewältigung der Corona-Krise.
Wie haben Sie den Beginn der Corona-Krise erlebt?
Renate Schwarz (RS): Ich hatte in den Semesterferien Anfang Februar Zeit, ausführlich die Nachrichten zu verfolgen. Dabei sah ich die ersten schockierenden Berichte aus China. Obwohl alles sehr weit weg schien, war für mich schon spürbar, dass uns Covid-19 treffen könnte.
Friederike Skopek-Johnson (FSJ): Wir haben uns schon im Februar gut auf die Krise vorbereitet – bereits hier war klar, dass sich einiges ändern wird – nur das Ausmaß war noch nicht abzusehen. Ich erinnere mich noch genau an den Freitag, den 13. März, als die letzte „große Krisensitzung“ stattfand: Alle Führungskräfte wurden HB-weit zu einer gemeinsamen Sitzung einberufen. Hier konnten wir schon Lösungen für viele Fragen finden: von der Betreuung für die Kinder der MitarbeiterInnen über die Besuchsregelung bis hin zur Dienstplanung und vieles mehr.
Welche Vorkehrungen und Maßnahmen wurden in den Wiener Pflegeeinrichtungen umgesetzt?
RS: Noch in derselben Sitzung haben wir das Besuchsverbot beschlossen, das sehr schnell in ein allgemeines Betretungsverbot überging. Sofort haben wir die Informationskette gestartet, Briefe und E-Mails an die Angehörigen aufgesetzt und an unseren Eingängen Informations-Plakate angebracht. Daraufhin haben wir Am Maurer Berg einen Krisenstab gegründet und das Notfallmanagement eingeleitet. Im nächsten Schritt wurden die Dienstpläne geändert. Unsere MitarbeiterInnen wurden dabei in Teams aufgeteilt, die einander nicht begegnen.
FSJ: Beinahe alle Berufsgruppen in unserem Pflegekrankenhaus, besonders aber die Stationsleitungen, mussten alle bisher gewohnten Denk- und Planungsmuster ablegen. Dank ihres Einsatzes war es möglich, von einem Tag auf den anderen eine so genannte Kohortenplanung umzusetzen. Von da an waren die Stationsleitungen und wir seitens der Pflegedirektion sieben Tage die Woche im Einsatz und in Krisensitzungen vertreten. Wir wollten auch am Wochenende und an Feiertagen vor Ort sein, sollte sich Unsicherheit oder ein positiver Fall bemerkbar machen. Glücklicherweise blieben wir, wie auch bei Ihnen, Frau Schwarz, im Pflegeheim Am Maurer Berg Corona-frei.
Was haben Sie als die größten Herausforderungen im Umgang mit der Pandemie empfunden?
RS: In der Anfangsphase war es schwierig, den Angehörigen und MitarbeiterInnen die reale Gefahr der Erkrankung bewusst zu machen. Die Maßnahmen der Bundesregierung haben aber schnell ein Umdenken bewirkt. Wirklich hart wurde es, als wir die Krisenszenarien bis zum Worst Case Szenario ala Italien durchexerzierten.
Zu einer Herausforderung wurde auch die Ermöglichung einer gewissen Normalität für die BewohnerInnen bei allen nötigen Sicherheitsvorkehrungen. Wie erklärt man an Demenz erkrankten BewohnerInnen, dass Sie ihre Sozialkontakte für längere Zeit nicht sehen können und wie gelingt es den Mittelweg zwischen Sicherheit und Freiheit auszuloten? Das war nicht einfach. Wir konnten uns in diesem Punkt mit Tablets behelfen, die Video-Telefonieren mit den Angehörigen ermöglichte.
Wie sind die MitarbeiterInnen mit all den Einschränkungen umgegangen?
FSJ: Bei uns gab es kaum Hektik oder Nervosität. Die Kolleginnen und Kollegen an den Stationen sind unglaublich schnell aus ihrem alten Denkmuster ausgetreten, haben sich auf die neuen Regelungen und Abläufe eingelassen und unter noch nie da gewesenen Rahmenbedingungen Unglaubliches geleistet. Mein Respekt gilt jedem einzelnen Mitarbeiter und jeder einzelnen Mitarbeiterin, denn sie haben dafür gesorgt, dass es unseren Bewohnerinnen und Bewohnern trotz weltweiter Krise gut geht und diese weiterhin schöne Momente erleben können.
Was braucht es, um so eine Krise durchzustehen?
RS: Ganz wichtig ist es, die entsprechenden Kolleginnen Kollegen an seiner Seite zu wissen. In so einer Situation muss offen ausgesprochen werden, nicht zu wissen, was noch alles kommt. Entscheidend ist aber, die nötige Zuversicht aufzubauen, es gemeinsam zu schaffen. Bei vielen Überlegungen braucht es auch Flexibilität und Kreativität.
FSJ: Ich würde hier noch Offenheit, Teamgeist und Mut hinzufügen. Entscheidungen mussten oft sehr schnell getroffen werden. Nicht zu vergessen sind Zuversicht, gegenseitiges Vertrauen und transparente Kommunikation – was auf allen Ebenen erforderlich war.
Gibt es auch etwas, das als positiv aus der Corona-Krise hervorgegangen ist?
FSJ: Ich habe die Rückmeldungen bekommen, dass das Teamgefühl geschärft wurde und alle stärker zusammengewachsen sind. Es ist ein starkes WIR-Gefühl entstanden. Auch gesellschaftlich. Jetzt müssen wir, damit meine ich sowohl die Pflege als auch die Gesellschaft, darauf achten, dass dies weitergelebt wird.
RS: Zu Beginn der Corona-Krise wurden die Pflegekräfte erfreulicherweise zu Heldinnen und Helden erklärt. Mittlerweile sind diese Rufe wieder etwas leiser geworden. Ich würde mir wünschen, dass die Pflege von der Gesellschaft noch mehr wahrgenommen wird und durch diese Situation einen besseren Status bekommt.